This is Caterham

Was für ein schönes Wetter in Dresden gestern! Als der Flieger kurz nach vier pünktlich abhebt hat man einen wunderbaren Blick über das Elbtal. Als der Erfrischungswagen vorbei kommt, bestelle ich mir ein Warsteiner. Dazu gibt es ein Stück „Kuchen“, welches sich die Lufthansa bzw. British Midland International ob seiner Konsistenz gern auch hätte sparen können — ist aber das einzige, was ich in der Passagierbefragung als „nicht so toll“ ankreuze.

Wir sind schneller als erwartet über London, der Pilot dreht noch eine Warterunde. Ich sitze auf der passenden Seite und kann die O2 Arena beinahe anfassen. St Pauls, Charing Cross, Waterloo, das Home Office — man fühlt sich gleich heimischer, wenn man das alles schon zuordnen kann.

Die Einreisekontrolle geht erfreulich schnell, vor ein größeres Problem stellt mich der Ticketautomat für die Tube. Irgendwie fehlt dort die Option, seine Oyster Card aufzuladen, weswegen ich nach entnervter Rumdrückerei auf dem Bildschirm dann eine Tageskarte für acht Pfund in den Händen halte. Einzelfahrten hätten mich insgesamt nur 5,40 gekostet, man lernt.

Bei Green Park verabschiede ich mich von Gregor und … Name ist mir entfallen, sitzt jedenfalls häufig im FSR … die ich lustigerweise in Dresden getroffen habe. Man macht Urlaub.

Ein bisschen muss ich noch auf meinen Zug nach Caterham warten, dann zuckelt er durch mittlerweile im Dunkeln liegende Vororte. Ich freue mich auf Alice und ihre Familie, insgesamt fühle ich mich schon auf der Fahrt total heimisch, sicherlich besser als am ersten Abend anonym in irgendeinem Hostel aufzuschlagen. Nachdem ich fünfzehn Kilo Koffer den Berg hoch gewuchtet habe treffe ich an der Haustür Alice’ Mutter, die mich gerade mit dem Auto abholen wollte, ursprünglich hatte ich mich für einen Zug später angekündigt. Sie schiebt gleich eine Pizza für mich in den Ofen, ganz wunderbar, denn mittlerweile bin ich ziemlich hungrig.

Alice’ Vater liegt noch mit Migräne im Bett, ihr Bruder ist Snooker spielen, Alice selbst ist im Theater, also sitzen wir zu zweit in der Küche und schwatzen, das letzte Mal, dass ich dort war, ist ja schon wieder fünf Jahre her. Alice und ihr Vater kommen später dazu, ich erzähle und erzähle und erzähle und irgendwann falle ich ins Bett.

Früh geht der Wecker eine Stunde eher, die Uhr holt sich selbst hier deutsches Signal, ich schrecke um sieben hoch, noch vor allen anderen. Bekomme allerdings dann irgendwann die Einstellung der Zeitzone auf die Reihe, jetzt weißt mich ein kleines F darauf hin, dass ich ferreist bin.

Bevor ich mich nach London aufmache, schaue ich noch bei Alice im Costa auf einen Americano vorbei. Könnte ewig bei den scheinbar mühelosen Handgriffen zuschauen, mit denen sie die ganzen Getränke zaubert. Vielleicht mache ich bei Gelegenheit mal ein Bild.

In der Stadt angekommen nieselt es sich nach kurzer Zeit ein, Belgrave House — mein künftiger Arbeitsplatz — liegt noch im Sonnenschein, Vauxhall Cross, das Hauptgebäude vom MI6, welches ich schon immer mal aus der Nähe betrachten wollte, sieht dann schon düsterer aus. Die Victoria Line bringt mich von dort die zwei Stationen nach Lambeth.

Lambeth ist ... trostlos? Vielleicht ist es das Wetter, vermutlich aber eher die lieblos hingeklotzten, anonymen Wohn...dinger. Es gibt durchaus sehr schöne Straßen, alte Einfamilienhäuser mit winzigen, verwunschen aussehenden Vorgärten voller Efeu, aber sobald man um die nächste Ecke biegt wird man von 60er Jahre Wohnungsbau erdrückt.

Die Wohnung, welche ich mir dann anschaue, erinnert mich von außen an die Blocks, in denen in britischen Polizeiserien immer die verdächtigen Muslime wohnen. Endlos lange Balkongänge vor den Türen, trist, ein wenig aufregend auch — aber ich glaube für fünf Monate fehlt mir da doch der Atem und die Ghetto-Cred ... die Jungs, die lässig auf dem Treppenabsatz unten lümmeln, hätten bestimmt ihren Spaß mit mir. Aber eine nette junge Chinesin, die mich drinnen kurz herumführt. Wäre notfalls schon machbar sowas. Ich frage auch mal dezent, „wie sicher“ sich die Gegend anfühlt; „sometimes there's accidents in other flats, but to me, nothing ever happened in two years“. Very reassuring ... not?

Naja, man muss ja auch nicht das erste nehmen, was kommt. Mit immer noch beschissenem Wetter und wenig Plänen vor meinem großen Tag fahre ich dann einfach wieder zurück nach Caterham. Das heißt, als dann nach einer kleinen Ewigkeit wieder Züge fahren, denn irgendwo bei Purley ist wohl der Strom ausgefallen und so ziemlich der ganze Süden liegt damit erstmal flach. Beim gelangweilten Lesen der Anzeigen fällt mir ein Ort namens Bognor Regis auf. Das klingt wie ein Zwergenberserker irgendwo aus Mittelerde, liegt aber an der Südküste. Nett.

Zurück bei Alice browse ich noch ein bisschen nach Wohnungen, finde zwei, drei tolle Angebote in Balham, die ich hoffentlich morgen abklappern kann, dann essen wir Abendbrot, loben das deutsche Bildungssystem und Alice macht sich nochmal auf, eine Verabschiedungsparty für eine Freundin.

Ich werde mich jetzt in die Falle hauen und morgen ganz aufgeregt und hoffentlich gut angezogen in das Abenteuer Praktikum stürzen. Halb zehn begrüßt mich liebenswerterweise das ganze Team — 7 Leute, den Namen nach zu urteilen bunt gemischt — mit Frühstück, auch wenn ich wahrscheinlich viel zu nervös sein werde, um groß was zu essen. Sehr spannend, alles.

Bis demnächst!

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